Robert Klatt
Der Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt erstmals eine Schadensersatzklage gegen einen Covid-19-Impfstoffhersteller. Die Klägerin gibt an, dass sie durch den Impfstoff Vaxzevria des Herstellers AstraZeneca einen dauerhaften Schaden am Gehör erlitten hat und fordert mindestens 150.000 Euro Schmerzensgeld.
Karlsruhe (Deutschland). In Deutschland wurde die schnelle Zulassung der Covid-19-mRNA-Impfstoffe von vielen Menschen kritisiert, weil diese laut ihnen zu gefährlichen Nebenwirkungen und dauerhaften Gesundheitsschäden führen können. Über 14.000 Personen haben Anträge wegen dauerhafter Covid-19-Impfschäden eingereicht, von denen die Behörden bisher 573 Impfschäden offiziell anerkannt haben (Stand: 21. April 2025). Nun verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals eine Schadensersatzklage gegen einen Impfstoffhersteller.
Die Klage wurde von einer Zahnärztin eingereicht, die am 5. März 2021 im Impfzentrum Mainz mit dem Impfstoff Vaxzevria des Herstellers AstraZeneca geimpft wurde. Laut den Angaben der Mediziner spürte die 40-jährige Frau kurz nach der Impfung ein Kribbeln in den Fingerspitzen und erlitt drei Tage danach einen Hörsturz, durch den das rechte Ohr dauerhaft geschädigt wurde. Die Klägerin verlangt, dass AstraZeneca die Öffentlichkeit über die Risiken des Impfstoffs informieren muss, und fordert mindestens 150.000 Euro Schmerzensgeld.
In den Instanzen vor dem Landgericht Mainz und dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat die Klägerin verloren. Das OLG hat den Auskunftsanspruch der Klägerin abgelehnt. Die Verhandlung vor dem BGH scheint erfolgsversprechender zu sein und es ist wahrscheinlich, dass AstraZeneca Informationen zu den eventuell vorhandenen Risiken des Impfstoffs Vaxzevria teilen muss, wenn es eine ernsthafte Möglichkeit gibt, dass dieser den Hörsturz ausgelöst hat. Laut dem Senatsvorsitzenden Stephan Seiters ist dies erforderlich, damit die Klägerin ihren gegebenenfalls bestehenden Schadensersatzansprüche begründen kann. Anschließend wird der Prozess voraussichtlich vor dem OLG Koblenz erneut verhandelt.
Nach der bisherigen Verhandlung vor dem BGH lässt sich nur schwer prognostizieren, ob die Klägerin tatsächlich Schadensersatzansprüche gegen AstraZeneca hat. Das Arzneimittelgesetz (AMG) sieht eine Gefährdungshaftung vor, die auch ohne nachweisbares Verschulden eines Herstellers greift. Ob Schadensersatzansprüche bestehen, hängt primär vom Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko des Impfstoffs ab. Wenn der Impfstoff aus damaliger wissenschaftlicher Sicht deutliche Vorteile geboten hat, könnte es demnach sein, dass die Risiken akzeptabel waren und die Klägerin somit keine Schadensersatzansprüche gegen AstraZeneca hat, auch dann, wenn der Impfstoff für den Hörsturz verantwortlich ist.
Das OLG Koblenz teilt die Ansicht, dass die Zulassung des Impfstoffs durch die Europäische Kommission (EK) Ende Januar 2021 und die Standardzulassung im Herbst 2022 sowie die Prüfung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ausreichen, um ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu begründen. Der BGH ist hingegen überzeugt, dass eine erneute Risikoprüfung mit der Wissenslage vom März 2024, in dem die Verhandlung vor dem OLG stattgefunden hat, nötig sein könnte, weil die Wissenschaft in der Zwischenzeit neue Erkenntnisse zu den Risiken und dem Nutzen des Impfstoffs erlangt haben könnte. Es ist somit wahrscheinlich, dass das Verfahren sehr lange dauern wird, weil sowohl die Klägerin als auch der Impfstoffhersteller neue Gutachten einbringen werden, die für und gegen die Sicherheit des Impfstoffs sprechen.