Robert Klatt
Das Jagdverhalten von Weißen Haien unterscheidet sich je nach Region deutlich. Neue Aufzeichnungen belegen, dass Weiße Haie auch in Seetangwäldern nach Robben jagen. Bisher hat die Wissenschaft angenommen, dass diese eine natürliche Barriere bilden. Das neue Wissen über das Verhalten der Raubtiere soll unerwünschte Aufeinandertreffen von Menschen und Weißen Haien verhindern und so das präventive Töten der gefährdeten Fische überflüssig machen.
Radolfzell (Deutschland). Monterey Bay (U.S.A.). Weiße Hai gelten als perfekte Räuber, obwohl ihr Jagdverhalten bisher kaum erforscht wurde. Wissenschaftler des Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) und des Max-Planck-Instituts für Ornithologie haben nun im Fachmagazin Biology Letters eine Studie veröffentlicht, die das Jagdverhalten der Fische detailliert beschreibt. Sie haben dazu vor der Küste von Südafrika Weiße Haie angelockt und Kameras sowie GPS-Sender an den Rückenflossen der Tiere befestigt.
Im Gegensatz zu bisherigen Annahmen halten sich Weiße Hai auch in Gebieten auf, die eng mit Seetang bewachsen sind, um dort Robben zu jagen. In Zukunft soll das Wissen über das Jagdverhalten der Weißen Haie dabei helfen, Unfälle mit Menschen, die versehentlich in die Reviere der Raubfische eindringen, zu verhindern.
Die Aufnahmen des internationale Forschungsteams zeigen das erste Mal Weiße Haie bei der Jagd innerhalb von Seetang. Bisher wurden die Haie bei ihrer Jagd auf Robben und Seeotter fast nur von der Wasseroberfläche beobachtet.
https://www.youtube.com/watch?v=Qiv7ts_DxQU
Um die Haie mit den Kameras und den Bewegungssensoren auszustatten, haben die Wissenschaftler im Meeresschutzgebiet vor den Dyer Island wildlebende Haie mit Ködern zu ihrem Boot gelockt. Anschließend konnten sie, während sich die Tiere beim Fressen relativ ruhig verhalten haben, mit einer Stange eine Kamera, die auch den GPS-Peilsender enthält, an die Rückenflosse der Haie mit einem Klemmmechanismus anbringen. Es konnte so detailliert dokumentiert werden, in welchen Gebieten sich die Haie aufhalten und wo sie auf Beutejagd gehen. Nach drei Tagen hat sich der Klemmverschluss der Kamera automatisch gelöst und die Forscher konnten so die Kameras mit den gespeicherten Daten im Meer einsammeln und auswerten.
Die Gebiete um die Dyer Island entsprechen aufgrund der großen Seetangvorkommen nicht den typischen Jagdgebieten der Weißen Hai. Das beobachtete Verhalten unterscheidet sich deutlich von Weißen Haien, die in Gebieten ohne Seetang auf Beutefang gehen. Im Gegensatz zu ihren Artgenossen, die im Freiwasser unterwegs sind, jagen die Weißen Hai in den Gebieten mit Seetang auch tagsüber und kommen seltener an die Wasseroberfläche.
Im Vorfeld der Studie gingen die Wissenschaftler davon aus, dass die Hai Seetang als Barriere ansehen, in die Robben nicht verfolgt werden. Die nun ausgewerteten Videos zeigen, dass diese Annahme nicht richtig war, da die Haie auch innerhalb der Seetangwälder Robben jagen.
Martin Wikelski, Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie erklärt, dass „es seien könnte, dass die Haie individuelle Jagdstrategien besitzen.“ Außerdem sollen die Raubtiere auch je nach Region lokal unterschiedliche Jagdtraditionen entwickeln.
Im nächsten Schritt möchten die Wissenschaftler nun das Verhalten einiger Hai während ihres gesamten Lebens beobachten, um Rückschlüsse darauf zu erhalten, ob die Haie ihr Jagdverhalten im Laufe ihres Lebens signifikant anpassen. Die Studie ist Teil des Icarus-Projekts (International Cooperation for Animal Research Using Space) des Max Planck Instituts, das verschiedene Tiere während ihrer globalen Wanderungen beobachtet.
Die kommerzielle Jagd auf Weiße Hai ist zwar, weil der Bestand der Tiere nicht bekannt ist und sie deshalb als gefährdet eingestuft sind, grundsätzlich verboten, einige Länder erlauben aber das gezielte Töten einzelner Haie, um Angriffe auf Menschen von vornherein auszuschließen. Das neue Wissen über das Verhalten der Tiere soll dabei helfen, ungewollte Aufeinandertreffen zwischen Menschen und Hai zu verhindern, um somit auch die Jagd aus Präventionsgründen überflüssig zu machen.