Robert Klatt
Zwischen Venezuela und Kolumbien wurden kürzlich die größten prähistorische Felsgravuren der Welt entdeckt. Noch ist unklar, welchen Sinn die Gravuren hatten.
Bournemouth (England). Wissenschaftler der Bournemouth University, der Universidad de los Andes und des University College London um Dr. Phil Riris haben entlang des oberen und mittleren Orinoco-Flusses in Venezuela und Kolumbien die weltweit größten prähistorischen Felsgravuren entdeckt. Die größte der Felsgravuren ist über 40 Meter lang. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Antiquity zeigen die Felskunstwerke unter anderem Riesenschlangen, menschliche Figuren und große Amazonas-Tausendfüßler.
Obwohl die Fundorte der Gravuren in der Archäologie bereits seit längerem bekannt waren, haben die Forscher insgesamt 14 zuvor unentdeckte Stätten mit monumentalen Felsgravuren neukartiert. Alle entdeckten Felsgravuren sind mindestens vier Meter oder vier Meter breit. Ihre Entdeckung gelang durch eine Kombination von Drohnen und lokalen Führern.
Das Alter der Felsgravuren lässt sich nur schwer bestimmen. Ähnliche Motive wurden zuvor auf Keramikartefakten aus derselben Region entdeckt, die mindestens 2.000 Jahre alt sind. Ein Großteil der Gravuren zeigt Schlangen wie die Boa Constrictor oder Anakondas, die in den Mythen der lokalen indigenen Bevölkerung eine wichtige Position eingenommen haben.
„Diese monumentalen Stätten sind wirklich große, beeindruckende Orte, die unserer Meinung nach aus einiger Entfernung sichtbar sein sollten. Wir wissen, dass Anakondas und Boas nicht nur mit der Schöpfergottheit einiger indigener Gruppen in der Region verbunden sind, sondern auch als tödliche Wesen angesehen werden, die Menschen und große Tiere töten können.“
Die Forscher nehmen an, dass die prähistorischen Gruppen die Felsgravuren genutzt haben, um ihre Gebiete zu kennen und fremden Menschen zu signalisieren, dass dies ihr Lebensraum ist und angemessenes Verhalten erwartet wird. Schlangen, die in den Gravuren häufig dargestellt sind, werden allgemein als bedrohlich interpretiert, weshalb der Standort der Felskunst möglicherweise darauf hinweist, dass an diesen Orten besondere Vorsicht geboten ist.
Die Gravuren wurden überwiegend entlang eines Abschnitts des Orinoco-Flusses, der als Atures-Stromschnellen bekannt ist und eine bedeutende prähistorische Handels- und Reiseroute war, entdeckt. Laut den Forschern sollten die Felskunstwerke vermutlich vom Orinoco aus sichtbar sein, da damals die meisten Reisen auf dem Fluss stattfanden, um Fremden zu zeigen, wer in der Region ansässig ist.
Die Forscher erklären in ihrer Publikation, dass die monumentalen Felskunststätten geschützt werden sollten, um sie auch in Zukunft wissenschaftlich untersuchen zu können. Sie haben die Funde deshalb bei der nationalen Denkmalschutzbehörden in Kolumbien und Venezuela registriert. Zudem können die indigenen Völker aus der Orinoco-Region, die noch immer eine starke Verbindung zur Felskunst haben, zu deren Erhaltung beitragen.
Antiquity, doi: 10.15184/aqy.2024.55