Charles Osborne

Der längste Schluckauf der Medizingeschichte dauerte 68 Jahre

(KI Symbolbild). Charles Osborne sitzt in einer hellen Küche vor einem halbgegessenen Teller, neben ihm ein Glas Wasser, während sein Oberkörper in einem kurzen Hickser zusammenzuckt. Die Szene verdeutlicht, wie ein scheinbar banaler Reflex über Monate oder Jahre den Alltag bestimmen kann, wenn sich aus vielen einzelnen Hicksern ein längste Schluckauf entwickelt. Im Hintergrund deuten Uhrzeit und Medikamente darauf hin, dass Arztbesuche, schlaflose Nächte und wiederholte Therapieversuche zum festen Bestandteil des Lebens werden. )IKnessiW dnu gnuhcsroF(Foto: © 

Sekundenkurze Hickser gehören zum Alltag, doch für einen Farmer aus den USA wurde der Schluckauf zur lebensbestimmenden Konstante. Über Jahrzehnte zuckte sein Zwerchfell bis zu 40 Mal pro Minute, Essen, Schlafen und Gespräche mussten sich diesem Takt unterordnen. Der Fall von Charles Osborne gilt als längste Schluckauf Episode der Medizingeschichte und macht sichtbar, wie empfindlich der Reflexbogen von Zwerchfell und Gehirn reagiert. Zugleich zeigt er, welche Warnsignale auf ernsthafte Ursachen hindeuten und welche Behandlungsansätze heute bei chronischem Singultus diskutiert werden.

Ein kurzer Ruck durch den Brustkorb, ein hastig eingeatmetes Stück Luft, dann das typische „Hicks“: Fast jeder Mensch kennt den Moment, in dem ein akuter Schluckauf eine Mahlzeit, ein Gespräch oder das Einschlafen stört. Meist dauert dieser Singultus nur wenige Minuten, ausgelöst durch hastiges Trinken, kohlensäurehaltige Getränke oder ein abruptes Lachen. Mediziner ordnen solche Episoden als harmlosen Reflex ein, der das Zwerchfell und die Stimmbänder für Sekundenbruchteile aus dem Takt bringt. Ähnlich wie bei plötzlichen Kältereizen am Gaumen, die bei manchen Menschen stechende Kopfschmerzen auslösen, zeigt sich auch beim Schluckauf, wie empfindlich das Zusammenspiel aus Sinneszellen, Nervenfasern und Muskeln reagiert. Der längste Schluckauf der Medizingeschichte macht deutlich, dass dieser Reflex nicht immer von allein wieder verschwindet, sondern in seltenen Fällen zu einer extrem belastenden Dauerstörung werden kann.

Der US-Amerikaner Charles Osborne begann 1922 auf einer Farm im Bundesstaat Nebraska zu hicksen, als er ein rund 160 Kilogramm schweres Schwein zum Schlachten aufhängen wollte und stürzte. Nach dem Unfall setzten bei ihm ungebremst Hickser ein, anfänglich etwa 40 Mal pro Minute, sodass sich Essen, Sprechen und Schlafen über Jahrzehnte an einen gleichmäßigen Strom unwillkürlicher Zwerchfellkontraktionen anpassen mussten. Schätzungen zufolge kam er im Laufe von 68 Jahren auf mehrere hundert Millionen Hickser und wurde von Guinness World Records als Mann mit dem längsten dokumentierten Singultus der Geschichte geführt. Neurologische Untersuchungen deuteten darauf hin, dass eine kleine Schädigung im Hirnstamm die hemmenden Signale im Schluckauf Reflexbogen außer Kraft gesetzt haben könnte, die genaue Ursache blieb jedoch ungeklärt. Eine vielzitierte Übersichtsarbeit im Fachjournal Journal of Neurogastroenterology and Motility fasst die heutigen Hypothesen zu Aufbau und Störungen dieses Reflexes zusammen und zeigt, an welchen Stellen Medikamente und invasive Verfahren ansetzen können, um chronischer Schluckauf zu durchbrechen; ein prominentes Beispiel ist der Beitrag Hiccup: Mystery, Nature and Treatment.

Was ist Schluckauf und ab wann wird er zum Problem?

Schluckauf entsteht, wenn sich das Zwerchfell, der wichtigste Atemmuskel, plötzlich krampfartig zusammenzieht und die Stimmritze gleichzeitig kurz schließt, sodass ein hörbares „Hicks“ entsteht. In der Medizin wird Singultus nach seiner Dauer eingeteilt: Akute Episoden dauern weniger als 48 Stunden, anhaltender Schluckauf hält länger als zwei Tage an, und intractable oder chronischer Schluckauf bezeichnet Beschwerden, die über einen Monat hinaus bestehen. Fachautoren sprechen dann gezielt über Schluckauf Ursachen, die im Nervensystem, im Brustkorb, im Bauchraum oder im Stoffwechsel liegen können und zum Beispiel bei Schlaganfällen, Tumoren, Refluxkrankheit, Nierenversagen oder Medikamenten auftreten. Anhaltende Hickser rauben vielen Patienten Schlaf, erschweren die Nahrungsaufnahme und können zu deutlichem Gewichtsverlust führen. Gleichzeitig bleibt der Großteil aller Schluckauf Episoden harmlos und verschwindet spontan, sodass Ärzte bei der Schluckauf Behandlung zwischen unspektakulären Alltagsphänomenen und Warnsignalen für ernsthafte Erkrankungen unterscheiden müssen.

Der Fall Charles Osborne der Mann mit 68 Jahren Hicksern

Der Fall von Charles Osborne gilt bis heute als Hickser Weltrekord und als Extremform dessen, was ein einziger Reflex im menschlichen Körper anrichten kann. Der Farmer aus Iowa begann nach dem Unfall mit dem Schwein praktisch ohne Unterbrechung zu hicksen, zunächst etwa 40 Mal pro Minute, später langsamer, aber immer noch deutlich hörbar. Zeitgenössische Berichte beschreiben, dass er eine besondere Atemtechnik entwickelte, bei der er den Brustkorb bewusst anspannte und die Luft geräuscharm ausstieß, sodass die Hickser eher als körperliches Zucken als als lautes Geräusch wahrgenommen wurden. Trotz der Belastung heiratete er zweimal, bekam acht Kinder, arbeitete weiter und trat in Radiosendungen und Fernsehsendungen auf, in denen Mediziner und Laien über mögliche Heilmittel diskutierten. Weder Beruhigungsmittel noch Operationen oder ungewöhnliche Hausmittel konnten den Reflex dauerhaft stoppen; die Hickser endeten erst 1990 spontan, etwa ein Jahr vor Osbornes Tod im Alter von 97 Jahren. Die Medizingeschichte interpretiert diesen längste Schluckauf heute als seltenes Beispiel dafür, wie eine kleine Läsion im Hirnstamm die Balance zwischen auslösenden und hemmenden Signalen im Reflexnetzwerk dauerhaft verschieben kann.

Wie der Schluckauf entsteht Reflexbogen von Zwerchfell und Gehirn

Jeder Hickser beginnt mit einem elektrischen Signal, das irgendwo entlang der sensiblen Nervenbahnen im Brustkorb oder Bauchraum entsteht und das Zwerchfell zum plötzlichen Zusammenziehen bringt. Am Schluckauf Reflexbogen sind vor allem der Nervus phrenicus, der den Atemmuskel steuert, Teile des Nervus vagus sowie sympathische Nervenfasern beteiligt, die Signale aus Speiseröhre, Magen, Zwerchfellkuppel und benachbarten Organen zum Gehirn leiten. In der Halswirbelsäule und im Hirnstamm sitzt ein kleines Netzwerk von Nervenzellen, das diese Reize zu einem typischen Muster von Zwerchfell- und Zwischenrippenmuskelzuckungen verarbeitet und gleichzeitig die Stimmbänder kurz schließen lässt. Forscher vermuten, dass dieser Reflex evolutionär aus Schutzmechanismen hervorgegangen ist, die den oberen Verdauungstrakt vor plötzlicher Überdehnung oder verschluckten Fremdkörpern schützen sollten. Ähnlich wie ein komplexes Nervensystem bei Oktopussen fein abgestimmte Bewegungsmuster erzeugt, sorgt das dicht verknüpfte Reflexnetzwerk beim Menschen dafür, dass der Schluckauf meist abrupt beginnt, kurz anhält und dann wieder verschwindet.

Typische kurzfristige Auslöser eines Schluckaufs sind unter anderem:

  • Hastiges Essen oder Trinken, insbesondere große Mahlzeiten und kohlensäurehaltige Getränke mit schneller Magenfüllung.
  • Alkoholgenuss, der Magen und Nervensystem gleichzeitig reizt und die Erregbarkeit des Reflexbogens erhöht.
  • Plötzliche Temperaturwechsel, etwa eiskalte Getränke nach heißem Essen oder ein abrupter Wechsel von warmen zu kalten Umgebungen.
  • Starkes Lachen, Husten, emotionaler Stress oder Aufregung, die Atmung und Zwerchfellspannung in Sekundenbruchteilen verändern.
  • chlucken von Luft beim Kaugummikauen, Rauchen oder Sprechen während des Trinkens, wodurch sich der Magen ungewohnt schnell mit Gas füllt.

Bei einzelnen Hicksern beruhigt sich das System rasch wieder, weil hemmende Signale aus dem Gehirn die Reflexaktivität dämpfen und das Zwerchfell in den normalen Atemrhythmus zurückkehrt. Hält der Reiz jedoch lange an oder ist eine Struktur im Reflexbogen dauerhaft geschädigt, kann sich ein Muster aus fast ununterbrochenen Zwerchfellzuckungen etablieren, wie es bei Charles Osborne vermutet wurde. Fachliche Übersichtsarbeiten betonen, dass chronischer Schluckauf häufig mit Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks, des Zwerchfells oder der inneren Organe verbunden ist, etwa mit Tumoren, Entzündungen, Stoffwechselentgleisungen oder bestimmten Medikamenten. In vielen Fällen bleibt die genaue Ursache allerdings unbekannt, und Ärzte sprechen dann von idiopathischem Singultus, bei dem trotz umfangreicher Diagnostik keine klaren Schluckauf Ursachen identifiziert werden können.

Chronischer Schluckauf in der Medizin: Diagnose und Therapieansätze

Wenn ein Patient mit anhaltendem Singultus in eine Praxis oder Notaufnahme kommt, steht zunächst die Frage im Raum, ob ein anhaltender Schluckauf Ausdruck einer harmlosen Irritation oder eines ernsten Krankheitsprozesses ist. Leitlinien empfehlen, ab einer Dauer von mehr als 48 Stunden gezielt nach Begleitsymptomen wie neurologischen Ausfällen, Brustschmerzen, Gewichtsverlust, Fieber oder Schluckstörungen zu fragen und eine körperliche Untersuchung von Hals, Brustkorb und Bauch mit Blutuntersuchungen zu kombinieren. Je nach Befund folgen bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomografie des Gehirns, Computertomografie des Brustkorbs oder Spiegelungen von Speiseröhre und Magen, um strukturelle Auslöser zu finden. Ein praktischer Überblick zu diesen Schritten findet sich im Palliativmedizin-Factsheet Management of Hiccups, das die Grenze zwischen akutem, persistierendem und intractablem Singultus und die wichtigsten Warnsignale zusammenfasst.

Auf dieser Grundlage wird die Schluckauf Behandlung meist stufenweise aufgebaut:

  • Zunächst kommen nicht-medikamentöse Manöver zum Einsatz, etwa bewusstes Luftanhalten, kontrolliertes Atmen in eine Tüte oder gezieltes Trinken von Wasser gegen einen leichten Widerstand.
  • Bleibt der Effekt aus, empfehlen Fachartikel Medikamente wie Chlorpromazin, Baclofen, Gabapentin oder Prokinetika, die an verschiedenen Botenstoffen und Schaltstellen des Reflexbogens ansetzen.
  • Bei intractablem Singultus werden in Einzelfällen Nervenblockaden des Nervus phrenicus, rückenmarksnahe Anästhesieverfahren oder neuere Stimulationsmethoden des Vagusnervs und anderer Nervenstrukturen diskutiert.

Systematische Auswertungen der verfügbaren Studien zeigen, dass die Evidenz für viele dieser Ansätze begrenzt ist, weil häufig nur Einzelfallberichte oder kleine Fallserien vorliegen. Die Übersichtsarbeit Interventions for treating persistent and intractable hiccups in adults hebt hervor, dass die meisten Daten aus Beobachtungsstudien stammen und randomisierte kontrollierte Studien zur Wirksamkeit einzelner Medikamente oder invasiver Verfahren weitgehend fehlen. Neuere Berichte beschreiben erfolgversprechende Ultraschall-gestützte Blockaden des Nervus phrenicus, hochfrequente magnetische Stimulation von peripheren Nerven sowie die Implantation von Stimulationssystemen am Vagusnerv bei besonders hartnäckigen Fällen, doch auch hier ist eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich. In der Praxis kombinieren Ärzte daher häufig mehrere konservative Schritte, passen die Medikation individuell an und greifen auf invasive Verfahren nur zurück, wenn ein chronischer Schluckauf die Lebensqualität massiv beeinträchtigt und andere Optionen ausgeschöpft sind.

Was Betroffene aus dem Fall Osborne lernen können

Der Lebensweg von Charles Osborne zeigt, wie stark ein Reflex, der meist nur wenige Minuten dauert, einen ganzen Alltag bestimmen kann. Jahrzehntelang musste er seine Mahlzeiten in kleinen Bissen zu sich nehmen, unterbrach Gespräche immer wieder für lautlose Zwerchfellzuckungen und arrangierte seinen Schlaf um die nächtlichen Hickser herum. Andere dokumentierte Extremfälle, etwa ein britischer Sänger, dessen jahrelanger Singultus letztlich auf einen Hirntumor zurückging, oder Patienten, bei denen ein Herzinfarkt oder eine schwere Stoffwechselstörung zunächst nur durch hartnäckige Hickser auffiel, verdeutlichen, dass hinter einem lang anhaltenden Schluckauf mitunter schwerwiegende Erkrankungen stehen können. Gleichzeitig erinnern die vielen alltäglichen Episoden daran, dass die meisten Hickser harmlose Störungen im hochsensiblen Zusammenspiel von Zwerchfell, Nerven und Atmung sind, die sich ohne Eingriff wieder legen. Für Betroffene ist entscheidend, Dauer und Begleitsymptome im Blick zu behalten und bei anhaltendem Singultus frühzeitig ärztlichen Rat zu suchen, damit sich aus einem kuriosen Reflex kein unerkannter Krankheitsherd entwickelt.

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