Technik der Giftfrösche

Bionische Haut soll Flugzeuge enteisen

D. Lenz

Wasser perlt an der bionischen Oberfläche ab. Zuvor ließ ein Frost­schutz­mittel, das durch feine Poren nach außen drang, Eiskristalle schmelzen. )USAikswezcakyR .K(Foto: © 

In Zukunft könnten die Tragflächen von Flugzeugen dank einer Art bionischer Haut enteist werden und das Fliegen sicherer machen. Als Vorbild diente den Forschern die Haut von Giftfröschen, die ihre Toxine nur dann absondern, wenn diese benötigt werden.

Tempe (U.S.A.). Konrad Rykaczewski, Assistenzprofessor für Ingenieurwissenschaften an der Arizona State University, hat die letzten Jahre daran geforscht einen besseren Vereisungsschutz für Flugzeuge zu entwickeln. Der Antrieb seiner Forschungen dabei ist mehr als nur akademischer Natur: Vor einigen Jahren stecke Rykaczewski für zwei Tage in London fest, nachdem auf Grund von plötzlichem Schneefall der Vorrat an Frostschutzmittel für die Tragflächen der Flugzeuge aufgebraucht war.

Den Durchbruch seiner Forschungen verdankt Rykaczewski einer späteren Zufallsbegegnung während eines Urlaubs in Panama mit einem der heimischen Pfeilgiftfrösche. Die Haut jenes Frosches inspirierten den Wissenschaftler zu einer neuartigen Vereisungsschutzschicht. Er erfuhr, dass jene Frösche unzählige Drüsen in ihrer Haut haben. Einige dieser Drüsen sondern unablässig ein Sekret ab um die Haut feucht zu halten, während andere im Falle einer Provokation das namensgebende Toxin abgeben.

„Genau das war es, was ich auch für meinen Vereisungsschutz haben wollte“, sagt Rykaczewski. Ihm schwebte vor Flugzeuge mit einer Schutzschicht zu versehen, die, ähnlich wie die Haut eines Pfeilgiftfrosches, nur dann Frostschutzmittel abgibt, wenn dieses auch benötigt wird. Um eine entsprechende Beschichtung zu kreieren kombinierte das Team um Rykaczewski zwei durchlässige und superhydrophobe Schichten. Die untere dieser zwei Schichten nimmt Frostschutzmittel schnell auf, während die obere Schicht das Austreten des Frostschutzmittels verhindert.

Kalter Regen prallt an der oberen Schicht einfach ab, genau so wie er es an normalen superhydrophoben Oberflächen tun würde. In Fällen von hoher Luftfeuchtigkeit und niedrigen Temperaturen aber verwandelt sich kondensiertes Wasser auf superhydrophoben Flächen in Frost und beschleunigt eine Vereisung. Rykaczewskis neue Beschichtung aber löst das Frostproblem elegant: sobald sich Wasser und Eis auf der Oberfläche ansammeln wird das in der unteren Schicht angesammelte Frostschutzmittel zur Oberfläche gesogen und schmilzt das Eis in einen leicht zu entfernenden Schneematsch.

Bereits jetzt, in der Prototypenphase, verzögert die neuen Beschichtung die Bildung von Eis etwa um den Faktor zehn und benötigt zwischen zwei und acht Mal weniger Frostschutzmittel als bisherige Methoden. Das mag auf den ersten Blick nicht sonderlich revolutionär klingen, bedeutet aber in Bezug auf die Flugsicherheit einen gewaltigen Fortschritt. Frostbildung an den Vorderkanten von Tragflächen beeinträchtigt nämlich die eigentliche Form der Flügel, verschlechtert die Aerodynamik und stört den Auftrieb. Flugzeuge verlieren im Endeffekt ihre Flugeigenschaft. Im schlimmsten Falle führt dies zu einem Absturz.

Eisbildung auf Tragflächen beeinträchtigt das Flugverhalten negativ

Berichte des „National Transportaion Safty Boards“ belegen, dass zwischen den Jahren 1982 und 2000 Eisbildung auf Tragflächen zu annähernd 600 Unfällen mit Flugzeugen geführt hat und allein in den USA dadurch mehr als 800 Menschenleben zu beklagen sind. Obendrein soll die neuartige Beschichtung nicht mehr Kosten verursachen als bisherige Beschichtungen der Flugzeuge. Rykaczewskis Team hat die Schichten mit Materialien aus dem Baumarkt entworfen, die für etwa 40 Dollar erhältlich sind. Nicht nur die Tragflächen würden von Rykaczewskis Erfindung profitieren. Wenn Flugzeuge mit Anti-Freeze besprüht werden, wird jedes Mal die Landebahn durch die Chemikalien beschädigt. Der Fokus von Rykaczewskis Team liegt nun darauf das Design der Beschichtung zu optimieren, ihre Leistungsfähigkeit zu steigern und sie wie eine neue Lackierung auftragbar zu machen. „Wir hatten einen ziemlich guten Einfall und dieser funktioniert soweit auch sehr gut“, sagt Rykaczewski, „aber alles muss noch ein wenig optimiert werden, widerständiger und aufskaliert werden.“

Die neuartige Beschichtung ist für Flugzeuge noch nicht einsatzfähig. Rykaczewski hofft seine neue Beschichtung in Bälde an den Blättern von Windkrafträdern und den Rotoren von Drohnen zu testen, die in und um die arktischen Regionen eingesetzt werden. „Danach werden wir uns Stück für Stück von kleinen, bemannten Fluggeräten zu den wirklich großen Luftfahrzeugen vorarbeiten“, gibt Rykaczewski an.

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