Damals sehr beliebt

Die vergessene Geschichte der Menschenzoos

Damals sehr beliebt - heute unvorstellbar: Die Völkerschau )gro.aidepikiw(Foto: © 

Menschen fremder Nationalitäten und Rassen auszustellen wurde gerade in Europa von vielen Menschen begrüßt. Die Besucherzahlen derartiger Ausstellungen gingen in die Millionen. Auch spezielle Ausstellungen von Indianern oder komplette Dorfgemeinschaften kamen bei den Menschen gut an.

Bereits im alten Ägypten war es Gang und Gebe, Menschen, die anders aussahen oder fremd wirken, zur Schau zu stellen. Teilweise wurden diese Menschen regelrecht gejagt und vernichtet. Die Ausstellungen der Menschen wurden häufig mit Gladiatorenspielen verknüpft. Selbst im Christentum gab es viele öffentliche Verurteilungen wie zum Beispiel Hinrichtungen oder Kreuzigungen, die man als Zurschaustellen bezeichnen könnte. Aus dem 17. Jahrhundert gibt es viele Aufzeichnungen, dass Indianerdörfer mit echten Einwohnern zur Schau gestellt wurden. Einen großen Aufschwung erhielten die Menschenzoos Mitte des 19. Jahrhunderts. Fast auf allen Jahrmärkten, Volksfesten, in Zoos, Varietés und im Zirkus wurden anders Aussehende in Menschenzoos ausgestellt. Die Kolonialausstellungen wurden immer in einer möglichst naturgetreuen Kulisse präsentiert. Bei einer Schweizerischen Landesausstellung in Genf wurde beispielsweise im Sommer 1896 ein Village Noir mit insgesamt mit 230 Sudanesen ausgestellt, die trotz der kalten Temperaturen in Lehmhütten hausen mussten.

Europa war Vorreiter der Menschenzoos

Menschenzoos hatten zwischen 1870 und 1940 ihre Blütezeit in Europa. Was man sich in der heutigen Zeit nicht mehr vorstellen kann, war früher ein übliches Verfahren. Menschen eines fremden Volkes wurden entführt und in einer Art Zoo für Besucher gut sichtbar, in Käfige gesperrt. Alleine in Deutschland wurden in der Zeit bis 1940 bis zu 300 außereuropäische Menschengruppen regelrecht zur Schau gestellt. In den sogenannten anthropologisch zoologischen Ausstellungen kam es dazu, dass bis zu 100 Menschen gleichzeitig ausgestellt wurden. Der Menschenzoo wurde auch als Völkerschau bezeichnet. Eine Völkerschau war bei der Bevölkerung sehr beliebt. In Europa und Nordamerika lockten derartige Veranstaltungen Millionen von Menschen in die Ausstellungen. Während anfangs nur das Neue und Fremde betrachtet wurde, entwickelte sich nach einiger Zeit das Denken der Zuschauer in die Richtung, dass sie die Menschen in den Käfigen als Untermenschen ansahen. Sie wurden teilweise sogar für Forschungszwecke verkauft und von sogenannten Ärzten zu Tode gequält.

Ein menschenverachtendes Verhalten

In der heutigen Zeit wäre es unvorstellbar, dass in einem Zoo neben Affen, Zebras und Löwen auch Menschen ausgestellt werden. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. In den unterschiedlichsten Städten wie zum Beispiel Hamburg, Paris, Barcelona, Antwerpen, Mailand, London oder Warschau wurden spezielle Menschengehege in den Zoos eingeführt. Carl Hagenbeck war einer der Vorreiter und versandte im Jahr 1876 einige seiner Schergen nach Ostasien und in den Sudan. Sie sollten wilde Tiere und einige Nubier einfangen und mit nach Deutschland bringen. Diese wurden dann in einem Zoo ausgestellt, wofür sich die Zoobesucher richtig begeistern konnten. Noch nie hatten sie zuvor Eingeborene anderer Länder und Kulturen gesehen. Nie waren sie ihnen so nahe, wie im Zoo. Nach Carl Hagenbecker zogen London, Paris und Berlin nach. Eine der bekanntesten Ausstellungen war wohl die Weltausstellung in Paris im Jahre 1889. Bis zu 28 Millionen Besucher wurden auf dieser Ausstellung gezählt. Unter anderem gab es 400 Ureinwohner zu sehen, die bei den Besuchern als Attraktion angesehen wurden. Auch im 1900 fand eine Weltausstellung statt sowie Kolonialausstellungen in den Jahren 1906 und 1922 in Marseille. Die nackten oder halbnackten Menschen wurden ganz einfach in Käfigen ausgestellt. Innerhalb von sechs Monaten wurden in Paris 34 Millionen Besucher begrüßt.

Die große Völkerschau

1928 fand in Deutschland die große Völkerschau der Welt statt. Es handelte sich um eine Kolonialausstellung, bei der die Menschen aus den verschiedensten Gegenden der Welt betrachtet werden konnten. 1931 folgte die bekannte Ausstellung "Kanaken der Südsee". Diese Ausstellung fand auf dem Münchner Oktoberfest statt. Nach und nach wurden die Zoos nach dem zweiten Weltkrieg wieder abgeschafft. Ausgerechnet Adolf Hitler war der Vorreiter dafür, dass 1940 die ethnologischen Ausstellungen und Menschenzoos in Europa abgeschafft wurden. Er verbot eine öffentliche Zurschaustellung von farbigen Menschen.

Die letzte Ausstellung

Die letzte bekannte Ausstellung Menschen unterschiedlicher Rassen fand in Brüssel statt. Auf der Weltausstellung in Brüssel wurde im Jahr 1958 ein ganzes kongolesisches Dorf samt Einwohner aufgebaut. In den USA gab es einige ähnliche Ausstellungen in Zoos, bei denen Indianer zur Schau gestellt wurden. 100 Sioux Indianer wurden zum Beispiel im Cincinnati Zoo in einem nachgestellten Dorf ausgestellt. Auch in den USA wurden Besucherzahlen in Millionenhöhe verzeichnet. Der Andrang an derartigen Ausstellungen war sehr groß. Die Bevölkerung war sehr neugierig und hatten keine ethischen Bedenken, Menschen in Käfigen oder hinter Gittern zu beobachten.

Die persönliche Geschichte von Ota Benga

Einer der bekanntesten Menschen, die im Bronx Zoo ausgestellt wurden, ist der Afrikaner Ota Benga. Benga wurde 1885 in seinem kongolesischen Dorf von Truppen aus Belgien überfallen. Kongo unterstand als sogenanntes Belgisch-Kongo der Herrschaft von König Leopold II. Der belgische König galt als sehr grausam. In den Jahren 1880 bis 1920 halbiert er die Bevölkerung im Kongo von 20 auf 10 Millionen Menschen. Das lag vor allem an der extremen Brutalität, mit der die Besatzer vorgegangen sind. Der König ließ die Hände oder Arme von Menschen abhacken, die die tägliche Quote an den gewünschten Erzeugnissen wie zum Beispiel Elfenbein oder Gummi nicht erfüllen konnten. Ota Benga überlebte diese grausame Zeit, wurde jedoch im Jahr 1906 aus dem Kongo in der Nähe des Flusses Kasai entführt. Zu diesem Zeitpunkt war er 23 Jahre alt. Für ein Pfund Salz und etwas Stoff wurde Benga nach South Carolina an den Anthropologen und christlichen Missionar Samuel Phillips Verner verkauft.

Ein einsamer Kämpfer mit Heimweh

ein Mitglied der Batwa und versuchtet alles, um zu fliehen. Er griff mehrfach seine Aufseher an und galt daher als unkontrollierbar. Zur Strafe wurde Benga in das Affenhaus im Bronx Zoo überführt. Hier musste er gemeinsam mit einem Meerschweinchen, einem Papagei, einem Schimpansen und einem Orang Utan leben. Insgesamt sahen sich 40.000 Besucher täglich sein Leben im Käfig an. Teilweise tummelten sich bis zu 500 Personen gleichzeitig vor dem Käfig des Afrikaners. Er war mit einem Pfeil und Bogen ausgestattet, damit er realistischer für die Besucher wirkte. Nach einigen Tagen machte sich Benga diesen Vorteil zu Nutze und fing an, die Besucher mit dem Pfeil und Bogen zu verscheuchten.

Menschliche Grausamkeit

Das schlimmsten an seinem Aufenthalt waren nicht die hohen Besucherzahlen. Viel schlimmer war es, dass Benga von den Besuchern getreten, beleidigt und mit glühenden Zigarettenstummeln beworfen wurde. Damals berichtete die New York Times über Benga. Sie machten den Menschen klar, dass es Benga in seinem Käfig viel besser gefiele, als in seinem Heimatdorf. Menschen, die ihn bemitleiden und über sein angebliches Leid stöhnen, hielten sie für absurd. Doch die schwarze Bevölkerung in den USA machte Druck. Bereits nach 20 Tagen wurde Benga daher aus seinem Käfig im Zoo befreit und nach Lynchburg, Virginia überführt. Er erhielt dort einige Beschäftigungsmöglichkeiten wie zum Beispiel in Schulen oder Krankenhäusern. Trotzdem verlief Bengas Leben nach seiner Befreiung nicht glücklich. Er litt unter schweren Depressionen und Heimweh. Auf der einen Seite konnte er sich nicht in den USA integrieren, auf der anderen Seite war ein Leben im Kongo für ihn nicht mehr möglich. Er empfand die Zeit in den USA als unerträgliche Demütigung. Benga schoss sich am 20.03.1916 selber ins Herz. Seine Geschichte wurde vor Jahren als Kurzfilm produziert und zeigt tiefe Einblicke in das Leben von Ota Benga.

Die letzte Reise

Erst vor 6 Jahren kehrten die letzten Menschen aus den Menschenausstellungen des Herrn Hagenbeck zurück in ihre Heimat. Es handelte sich um fünf Körbe mit Skeletten, die ihre Reise nach Chile antraten. Die Menschen wurden vor fast 135 Jahren entführt. Ihre letzte Reise führte zum Flughafen von Santiago, von wo aus sie zur II. Brigarde der Luftwaffe gefahren wurden. Im Anschluss fand ein Staatsakt statt. Die Knochen wurden an einem warmen Sommertag übergeben. Selbst die Präsidentin Michelle Bachelet gab sich die Ehre. Sie entschuldigte sich für das Schicksal der Toten auch im Namen ihrer Nation. Auch die Minister standen Spalier und erwiesen den Toten die letzte Ehre. Die Odyssee der verschleppten Menschen begann im August 1881. Die Alakalufen oder auch Kawesqar genannte, wurden auf Schiffe verladen und in die verschiedensten Richtungen verschifft. Eine Expedition kam auch nach Deutschland und hatte das Ziel: Tierhändler Carl Hagenbeck. Dieser wollte alsbald einen Zirkus eröffnen und einen Zoo in Stellingen. Dieser Zoo trägt bis heute noch seinen Namen.

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